Programm 8.4.2009 Wolfgang Reuter (Teil 1)

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Frühwarn-System?

 

 

 

Erst kürzlich erfand eine Frau von der Leyen

 

für Kindesmisshandlung ein „Frühwarn-System“.

 

Man muss Frau Ministerin so was verzeihen;

 

denn immerhin geht’s um ein großes Problem:

 

 

 

Verwahrloste Kinder, die werden geschlagen,

 

getreten, geschunden, beschimpft und gequält.

 

Und dennoch will ich Frau Ministerin fragen,

 

ob’s ihrem „System“ nicht an Wirksamkeit fehlt.

 

 

 

Warum prügeln Eltern die hilflosen Kleinen?

 

Wer hat sie in Not und Verzweiflung gedrängt?

 

 

Wer kennt ihre Wut, ihre Ohnmacht, ihr Weinen?

 

Wie oft fand man ratlose Mütter – erhängt?

 

 

 

Und welches System warnt vor zahllosen Vätern,

 

die mit ihrem Job auch die Hoffnung verließ?

 

Gedemütigt werden auch sie leicht zu Tätern,

 

bereit, zu verstoßen, wie sie man verstieß.

 

 

 

Wer kümmert sich denn um das Heer junger Leute,

 

 

das Abend für Abend die Wände beschmiert?

 

Wer hilft denn den Fremden, die man nicht erst heute

 

schon wieder als Abzocker-Mob tituliert?

 

 

 

Wer hat keine Konten bei Banken und Kassen?

 

Und Video-Spiele – wen machen die krank?

 

Wer rettet die Alten, von allen verlassen?

 

Man merkt erst ihr Fehlen am Leichengestank.

 

 

 

In Deutschland erleben wir eisige Zeiten.

 

Und Kinder betrifft das besonders extrem.

 

Da kann Frau Ministerin noch so sehr streiten:

 

Statt Früh- schafft sie nur ein Zu-spät-Warn-System.

 

 

 

(Wolfgang Reuter, 28. 10. 2006)

 

 

 

 

 

 

 

Reg(ul)ierungswut

 

 

 

Ein Volk wie wir, das sehr gefräßig,

 

vernascht, versaut und störrisch ist,

 

das zu viel säuft und regelmäßig

 

das Steuer-Zahlen leicht vergisst,

 

dem tun ein paar Gesetze gut.

 

Man nennt das Regulierungswut.

 

 

 

Ob Friedhofsordnung, ob Vereine,

 

ob Streupflicht, wenn’s mal draußen friert,

 

ob Rauchverbot, ob Hundeleine –

 

 

dies alles wird streng reguliert.

 

Siehst du, mein Volk: So geht’s dir gut

 

dank strikter Regulierungswut.

 

 

 

Geregelt ist, wie groß Bananen,

 

auch Ei und Weihnachtsbaum sein soll’n,

 

wo Wäsche hängen darf, wo Fahnen

 

und wann die Winterreifen roll’n.

 

Nur nachts im Bett, wenn alles ruht,

 

ruht auch die Regulierungswut.

 

 

 

Hier seh ich Lücken, liebe Leute.

 

Schlimm, dass der Staat uns nachts vergisst!

 

Ich weiß ja nicht einmal, ob heute

 

der Beischlaf auszuführen ist.

 

Zeit wär’s, dass dafür sich was tut

 

durch neue Regulierungswut.

 

 

 

Ganz oben sitzen die Bestimmer:

 

Kommune, Land, Bund und EU.

 

Das macht die Lage immer schlimmer,

 

Gesetze fluten auf uns zu.

 

Man krönt gern jeglichen Disput

 

mit neuer Regulierungswut.

 

 

 

Was sind wir Deutschen für Idioten:

 

Wir haben doch den Staat gewählt,

 

der mit Gesetzen und Verboten

 

uns überall und immer quält.

 

Die Disziplin liegt uns im Blut

 

dank höchster Regulierungswut.

 

 

 

He! Ihr da oben! Ihr Beamten,

 

Politiker – ob schwarz, ob rot – :

 

Hört endlich auf mit dem verdammten

 

Gemisch aus Pflichten und Verbot.

 

Sonst wächst aus Regulierungsflut

 

noch heftige Regierungswut.

 

 

 

Wolfgang Reuter, 12. 02. 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mein Gott heißt Lessing

 

 

 

Sie nennen es „Streit der Kulturen“,

 

doch geht es ihnen dabei nur

 

um religiöse Leitfiguren.

 

Wo bleibt beim Streit da die Kultur?

 

 

 

Sind Kreuzzüge erneut im Kommen?

 

Bekämpft der Muselman den Christ?

 

Ist Krieg ein Mittel für die Frommen?

 

Da bleib ich lieber Atheist.

 

 

 

Schon siebzehnhundertneunundsiebzig

 

beschwor Herr Lessing seine Zeit:

 

Wer Hass statt Liebe sät, begibt sich

 

auf Wege zur Unmenschlichkeit.

 

 

 

Mich macht der Religionsstreit bange.

 

Es kommt nur Übles dabei raus.

 

„Nathan, der Weise“ sprach schon lange

 

vor unsrer Zeit die Wahrheit aus.

 

 

 

Er hasste den ununterbrochnen

 

Disput um Heiligkeit und Schmach:

 

„Es eifre jeder seiner unbestochnen,

 

von Vorurteilen freien Liebe nach!“

 

 

 

Wolfgang Reuter, 16. 09. 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

Nie wieder rauchen!

 

 

 

Herr Michel sitzt am Frühstückstisch

 

auf seiner Süd-Terrasse.

 

Die Sonne lacht, der Toast ist frisch,

 

Kaffee dampft in der Tasse.

 

Idyllisch wär’s, er hätte

 

jetzt noch ’ne Zigarette.

 

 

 

Doch weil sein Weib seit langem stöhnt,

 

er spiele mit dem Leben,

 

hat er sich’s gestern abgewöhnt –

 

so tollkühn ist er eben.

 

Qualm ist jetzt nicht mehr wichtig,

 

er ist ja wohl nicht süchtig!

 

 

 

Und außerdem: Herr Michel kennt

 

die Nikotin-Gefahren:

 

Man wird beizeiten impotent

 

und sieht’s auch an den Haaren.

 

Herr Michel ist sehr eitel,

 

er hasst zu breite Scheitel.

 

 

 

So sitzt er nun, der Kaffee dampft,

 

macht Zigaretten-lüstern.

 

Herr Michel kaut und schluckt und mampft

 

und hört ein Englein flüstern:

 

„Sei stark! Denn Starke brauchen

 

beim Frühstück nicht zu rauchen!“

 

 

 

Wie war sein holdes Weib entzückt,

 

als gestern er behände

 

die letzte Kippe ausgedrückt

 

und sprach: „Das ist das Ende

 

von meiner Qualm-Karriere.

 

Ich höre auf – ich schwöre!“

 

 

 

Der Tag danach war vom Gefühl

 

her endlos lang und fade.

 

Herr Michel naschte furchtbar viel

 

Bonbons und Schokolade.

 

Ganz ohne Zigarette

 

ging er schon früh zu Bette.

 

 

 

So also hat er es geschafft,

 

schon vierundzwanzig Stunden!

 

Das Wachsen seiner Manneskraft

 

hat auch sein Weib empfunden.

 

Die Nikotinfrei-Phase

 

trieb beide zur Ekstase.

 

 

 

Doch heute ist ein neuer Tag.

 

Herrn Michel fährt schon wieder

 

die Sucht nach Qualm und nach Tabak

 

in alle seine Glieder.

 

Das ist ja das Gemeine:

 

Man denkt nur an das Eine!

 

 

 

Schon steht er auf und geht zum Schrank.

 

Dort liegen doch noch immer …

 

Tatsächlich, denkt er, Gott sei Dank!

 

Die Sucht wird immer schlimmer.

 

Er hört Frau Michel zischen:

 

„Lass ja dich nicht erwischen!“

 

 

 

Frau Michel schimpft ganz fürchterlich,

 

es riecht nach Ehe-Krise.

 

„Die Zigaretten oder ich!“,

 

so lautet die Devise.

 

Da macht er sich Gedanken,

 

und er beginnt zu schwanken.

 

 

 

Wie’s weiter geht, das sag ich nicht,

 

das kann sich jeder denken.

 

Sehr schwer ist halt der Rauch-Verzicht,

 

sehr schwer die Sucht zu lenken. -

 

Ich muss erst mal verschnaufen

 

und Zigaretten kaufen.

 

 

 

Wolfgang Reuter, 01. 09. 2006

 

 

 

 

 

 

 

Angie

 

 

 

 

 

Fast immer, wenn ich Angie seh,
wird mir ganz heiß im Schädel.
Ich fühl mich wohl in ihrer Näh!
Was für ein süßes Mädel!

Gern kraulte ich ihr das Genick
und kniff sie in die Seiten.
Auch find ich sie von hinten schick:
Sie kann so würdig schreiten.

Was für ein Super-Rasse-Weib!
Ich lieb es, ihr zu schmeicheln.
Wie elegant der schöne Leib!
Ich möcht sie so gern streicheln.

* * *

 

Was knurrst Du? - Es sei frech und dreist,
was ich mit Angie mache?
Moment! - Wie meine Katze heißt,
das ist wohl meine Sache.

 

 

 

Wolfgang Reuter, 15. 11. 2008

 

 

 

 

 

 

 

Soldatin?

 

 

 

Einst meinte man, dass Arzt und Lehrer,

 

Minister und Kapitalist

 

genau wie Koch und Straßenkehrer

 

nur ein Beruf für Männer ist.

 

 

 

Heut sind längst Fraun in den Berufen,

 

zumeist noch für zu wenig Lohn.

 

Für jene, die das Wunder schufen,

 

heißt so was Emanzipation.

 

 

 

Warum soll also auch das Mädel

 

nicht wie ein Mann in Kriege ziehn?

 

Mit Stahlhelm auf dem blonden Schädel

 

und Flak-Granaten auf den Knien?

 

 

 

Dies Bild macht mir das Großhirn picklig,

 

Ich find das furchtbar, meine Herrn!

 

Obwohl ich weiß, es ist nicht schicklich,

 

den Frauen Wege zu versperrn.

 

 

 

Ich schätz die Frau als Diplomatin.

 

Grad jetzt ist eine Chef im Staat.

 

Doch Frau im Kriege als Soldatin?

 

Dafür ist sie mir viel zu schad.

 

 

 

Versucht mich nicht zu agitieren,

 

 

Soldat sei schön für Frau UND Mann.

 

Ich lass mich doch nicht kritisieren,

 

bloß weil ich Krieg nicht leiden kann.

 

 

 

Wolfgang Reuter, 16. 12. 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

Skandal im Wahl-Lokal

 

 

 

Bei allen Wahlen ist’s dasselbe:

 

 

die Straßen von Plakaten voll.

 

Und Grüne, Rote, Schwarze, Gelbe

 

erklär’n, dass man sie wählen soll.

 

 

 

Herr Michel stöhnt, ihm knurrt der Magen.

 

Was int’ressiert ihn da die Wahl?

 

Um sich das Bäuchlein vollzuschlagen,

 

treibt’s ihn zum Essen ins Lokal.

 

 

 

Er greift zur Karte, ihm wird übel:

 

Bunt wie’n Plakat! – Herr Michel zuckt;

 

ein jedes Essen ist penibel

 

verschiedenfarbig ausgedruckt.

 

 

 

 

In gelb, an allererster Stelle,

 

gibt’s Gelbwurz mit Sauce hollandaise,

 

gegart in einer Westerwelle,

 

als Nachtisch einen Schweizer Käs.

 

 

 

In rot gibt’s Roastbeef auf Radiesi,

 

mit Rote-Bete-Saft versehn,

 

und Peperoni, scharf wie Gysi,

 

dazu den Rotwein „La Fontaine“.

 

 

 

 

Aal grün vom Fischer wird geboten

 

mit grünen Bohnen und Salat,

 

dazu mit Lauch gefüllte Schoten

 

auf dunkelgrünem Blattspinat.

 

 

 

Pechschwarz gibt’s Schnecken, gut gesäubert,

 

fast ohne Schleim (man merkelt’s kaum),

 

mit schwarzem Pfeffer fein bestoibert,

 

serviert in schwarzem Wurzel-Saum.

 

 

 

In rosa bietet man Makrelen

 

in wabbelweichem Saft-Gelee.

 

Wer Angst vor Gräten hat – die fehlen!

 

Dazu gibt’s Pfeffermünte-Tee.

 

 

 

„Schluss!“, flucht Herr Michel, ruft den Ober,

 

er knallt die Karte hin und spricht:

 

„Was soll ich denn mit dem Zinnober? –

 

Giraffen-Futter ess ich nicht.“

 

 

 

„Mein Herr“, bekommt er da zu hören,

 

„Sie speisen bei uns stets First Class!“

 

Herr Michel will sich nicht beschweren:

 

„Dann bringen Sie mir irgendwas!“

 

 

 

„Auch damit, Meistro, kann ich dienen.“

 

Schon eilt der Ober flugs herbei.

 

„Mein Herr, ich präsentiere Ihnen

 

 

den guten deutschen Einheitsbrei.“

 

 

 

Herr Michel kaut und würgt und leidet.

 

Er schluckt verstört und resümiert:

 

Wer sich beim Wählen nicht entscheidet,

 

muss nehmen, was man ihm serviert.

 

 

 

Wolfgang Reuter, 05. August 2006

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